Spinndüsenmuseum Gröbzig

Bereits seit der Mitte des 18. Jahrhunderts bemühten sich Wissenschaftler, künstliche Fäden zu erzeugen, aber erst ab der Wende vom 19. zum 20 Jahrhundert war man technisch soweit, die ersten Kunstfasern industriell herzustellen. Die aufblühende chemische Wissenschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bildete die Grundlage für den „Siegeslauf“ der Viskose-Kunstseide. 1906 produzierten in der Welt bereits 22 Kunstseidenfabriken. Anfänglich (vor 1900) wurden die für den Spinnprozess entscheidenden Spinndüsen aus Glas verwendet, mit allen Nachteilen dieses spröden und empfindlichen Werkstoffs. Im Jahre 1908 gelang es dem Gröbziger Friedrich Eilfeld, Spinndüsen aus Metall zu fertigen. Er fand die „Bohr“ – Methode, die Werkzeuge und Produktionstechniken, suchte und fand Metalle bzw. Legierungen mit optimalen Verarbeitungs- und Einsatzeigenschaften. Die Metallspinndüse für vielfältige Anwendungen in der Chemiefaserindustrie war geboren (im Jahre 1908).

 

Die Spinndüse ist heute eine Metallplatte oder anders geformt ein Hütchen mit bis zu vielen tausend Löchern von 0,02bis einem Millimeter Lochdurchme
sser, auch Bohrungen
mit vielfältigengeometrischen Querschnitten. Sie dient der Formgebung von zähflüssigen Stoffen zu Fäden. Diese viskosen Flüssigkeiten (Cellulose-Polymer-Lösungen) oder Schmelzen (Polyamide, Polyester u. a.) werden unter hohem Druck durch die Düsenlöcher gepresst. Es entstehen dabei strahlartige Gebilde, die – chemisch oder physikalisch nachbehandelt – die gewünschten Kunstfasern ergeben.

Früher, vor dem Jahr 1900, wurden Spinndüsen aus Glas verwendet – mit allen Nachteilen dieses spröden und empfindlichen Werkstoffs

 
Bohrvorrichtung von 1908

Eilfeld stieß das Tor auf für die Entwicklung der weltweiten Produktion der Kunstfasern. Heute werden jährlich viele Millionen Tonnen Chemiefasern für den stetig wachsenden Bedarf der Textilindustrie aber auch für viele andere Industriezweige produziert. Seit langem können die natürlichen Ressourcen wie z. Bsp. die Schaf- und Baumwolle den enormen Bedarf an Fasern in der Welt nicht mehr abdecken. Die nach Wunsch und Verwendungszweck herstellbaren Chemiefasern haben die zur Verfügung stehenden Naturfasern an Vielseitigkeit und Menge weit überholt. Friedrich Eilfeld schuf in Gröbzig ein kontinuierlich wachsendes, weltweit agierendes Unternehmen, in dem durch die steigenden Anforderungen der Faserindustrie besonders die Forschung einen hohen Stellenwert hatte.

Kurzbiografie Christian Friedrich Eilfeld:

  • Geb. am 22. April 1868, Schulbesuch in Gröbzig, danach Uhrmacherlehre in Köthen,
  • Wanderjahre mit Stationen in Plauen, Berlin und Wien,
  • ab 1888 Militärzeit,
  • 1892 Erhalt der Gewerbegenehmigung für die Ausübung des Uhrmacherhandwerks,
  • 1892 Eröffnung einer Uhrmacherwerkstatt in Gröbzig, Verkauf und Reparatur von Uhren und mechanischen Geräten (Nähmaschinen, Phonografen, Fahrräder u.a.), bereits intensive Beschäftigung mit mechanischen Experimenten verschiedenster Art, es entstand die Idee der Herstellung von Kleinstbohrungen auf der Basis der Materialverdrängung,
  • 1892 Heirat mit Mathilde Hentschel aus Plauen, aus der Ehe erwuchsen drei Kinder, Mathilde, Paula und Fritz, 1927 zweite Heirat mit Charlotte Cramer, verw. Newy aus Halberstadt,
  • 1908 Übersiedlung nach Plauen im Vogtland, Leitung einer Filiale des Uhrmachergeschäfts seines Schwagers,
  • 1908 Auftrag des Kunstseidefabrikanten Wilhelm Reents an F. Eilfeld zur Entwicklung und Fertigung einer Metallspinndüse, nach umfangreichen Forschungen folgte die Fertigung der ersten Metallspinndüse der Welt noch im gleichen Jahr,
  • 1909 Patent auf eine „Düse zur Herstellung künstlicher Seidenfäden…“
  • 1910 Rückkehr in die Heimatstadt Gröbzig, Fertigung von Metallspinndüsen für die Kunstseidenindustrie im Geschäftsgebäude in der Holzhausenstrasse mit 27 Mitarbeitern,
  • mehrfache Erweiterung der Spinndüsenfertigung, Schaffung von entsprechenden Produktionsgebäuden, Erhöhung der Mitarbeiterzahl auf 170,
  • Lieferung von Metallspinndüsen, anfangs nur in Länder Europas, später in viele Länder der Welt,
  • 17. Juni 1942 Tod Friedrich Eilfelds, die Leitung der Firma erfolgte in den Kriegsjahren bereits durch seinen Sohn Fritz.

Nach Friedrich Eilfeld:

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Gröbziger Betrieb enteignet und verstaatlicht. Nach einem schwierigen Neuanfang 1945 entwickelte sich in der DDR durch die Einführung maschineller Fertigungsprozesse ein moderner Musterbetrieb mit hohem Innovationsgrad. Nach der politischen Wende wurde der Betrieb reprivatisiert, mehrfach kam es zum Eigentümerwechsel. Die Firma wurde mit einer Produktionstechnik von internationalem Standard ausgerüstet. Noch heute werden am Traditionsstandort Gröbzig Spinndüsen für viele Länder der Welt produziert.